Mehr Sichtbarkeit dank Solidarität

In einer Woche, am 31. März, wird der internationale "Trans Day of Visibility" gefeiert. In diesem Zusammenhang verleihen wir Luan die Stimme, um die Bedeutung der Solidarität und des Zusammenhalts in der Community zu betonen:

Trans Personen werden gerade vor unseren Augen aus den Geschichtsbüchern gestrichen – nachdem wir uns gefühlt gestern erst jede Zeile erkämpft haben. Auf der Website für das nationale Stonewall Monument in den USA fehlt neuerdings jede Spur unserer trans und genderqueeren Vorkämpfer*innen: Silvia Riviera, Marsha P. Johnson, Miss Major Griffin-Gracy, um einige zu nennen. Wir sollen unsichtbar, unhörbar und somit auch undenkbar sein – es wieder werden, kaum, dass wir uns aus der Unsichtbarkeit befreit haben, in die uns die letzte grosse Welle des Faschismus geworfen hat.

Bücher und Forschung über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt gehörten zu den allerersten, die von den Nazis verbrannt wurden. Die erste Klinik für trans Personen in Berlin wurde 1933 zerstört. Viele sind erstaunt, dass es sie überhaupt gab, so gründlich wurden die Spuren transgeschlechtlicher Existenz ausgelöscht. Die Welle der Vernichtung rollte über die gesamte queere Gemeinschaft hinweg – doch sie erfasste Menschen, die nicht in die rigide Zweigeschlechtlichkeit passten, zuerst. Die Parallelen zu den gegenwärtigen Entwicklungen sind unleugbar und machen Angst. Und wie zuvor in der Geschichte wird es nicht bei trans Personen bleiben. Während vereinzelte Gruppen und Organisationen jetzt das T fallenlassen, ist hoffentlich den meisten LGBTIQ-Personen bewusst, dass die Ideologie hinter dem Hass nicht plötzlich vor ihnen Halt machen wird.

Unsere Sichtbarkeit ist jetzt existenziell, doch sie erfordert Solidarität und Zusammenhalt in der Community, denn sie ist auch existenziell bedrohlich. Als queere Menschen wissen wir alle darum, wie gefährlich es sein kann, gesehen zu werden – und wie unentbehrlich es für uns ist, andere zu sehen, die ähnlich sind wie wir. Nicht nur im öffentlichen Raum, auf der Strasse und auf Partys, sondern auch in Romanen und Filmen, in Forschungsberichten, Schulbüchern und der Geschichtsschreibung. Wir müssen einander sehen, um unsere Existenzen denkbar und damit überhaupt lebbar zu machen.

In den letzten Jahren haben wir uns endlich die Ressourcen erstritten, über unsere Vergangenheit, aber auch Gegenwart als trans Personen, als lesbische, schwule, bisexuelle und queere Menschen zu forschen. Wir können nun nachweisen, dass es pulsierende, queere Gemeinschaften und Subkulturen gab und gibt, wo wir sie für unmöglich hielten, weil wir systematisch ausgelassen wurden. Statistiken zeigen unsere Bedürfnisse in der Gesundheitsversorgung, der Bildung und Teilhabe am öffentlichen Leben auf und liefern uns Argumente im Ringen um unsere Rechte. Es ist möglich, dass wir noch nie so viel über uns selbst wussten – und obwohl sich viele von uns gerade ohnmächtig fühlen, verleiht uns dieses Wissen Macht. Die Macht, uns miteinander zu verbinden, uns die Hände zu reichen, uns gegenseitig sicht- und hörbar zu machen und keine*n Einzige*n von uns fallen zu lassen. 

Weil wir ganz genau wissen, dass ein Angriff auf eine*n von uns ein Angriff auf uns alle ist.  


Luan
(they/keine)
Aktivist*in und Gründungsmitglied von queeres ah&oh aus Basel


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📚 Literaturtipps:

Harry Nicholas – A Trans Man Walks Into a Gay Bar (Englisch) 

"I’ve been all of LGBTQ+ and I’m so proud of that. … I hope the world changes and I continue to grow too."  (Harry Nicholas)

Ehrlich, witzig und berührend erzählt Harry vom Leben als schwuler trans* Mann – über Männlichkeit, Dating, Sichtbarkeit und queere Freude trotz transfeindlicher Gesellschaft. Und hier findest du einen Talk mit Harry Nicholas zum Buch.

Alok Vaid-Menon – Mehr als binär (Deutsch)

Poetisch und empowernd räumt Alok mit der Geschlechterbinarität auf – ein visuell und inhaltlich starkes Buch über Identität, Vielfalt und Selbstbestimmung. Hier findest du das Buch


📅 Veranstaltung zum Transgender Day of Visibility am 31. März in St. Gallen

Die kantonale Gleichstellungsförderung lädt in Zusammenarbeit mit der Fachstelle für Aids- und Sexualfragen St. Gallen zu einer künstlerischen und emotionalen Auseinandersetzung mit dem Thema trans ein. Die Veranstaltung findet um 19:30 Uhr im Raum für Literatur, Hauptpost St.Gallen statt und ist kostenlos.

🌈 Good News: Vivian Jenna Wilson kontert transphobe Äusserungen ihres Vaters Elon Musk

Vivian Jenna Wilson, die trans Tochter von Elon Musk, wehrt sich gegen den transphoben Kommentar ihres Vaters ("My son, X. died. He was killed by the woke mind virus.") mit einem Zitat von RuPaul's Drag Race: "I look pretty good for a dead b*tch." und erhält Rückenwind aus der Community. Hier zum Artikel auf PinkNews.

🏳️‍⚧️ Unterstützung vor Ort in Basel
Du oder deine Friends suchen psychologische Unterstützung oder Austausch mit anderen trans, nicht binären oder questioning Menschen? In Basel gibt es ein neues, kostenloses Walk-in-Angebot – offen, solidarisch und auf Augenhöhe.
 

📅 Nächste Termine:

    • Dienstag, 25. März 2025 – Psychologische Beratung
    • Dienstag, 20. Mai 2025 – Beratung & Austauschgruppe Share & Care (18:30–19:30 Uhr, moderiert von einer trans Person)

🕕 Jeweils von 18:00–21:00 Uhr

📍 NEU: Opferhilfe beider Basel, Steinengraben 5, 4051 Basel (rollstuhlgängig)

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