Familienvielfalt statt Bürokratie: Die Politik ist gefragt
Regenbogenfamilien in der Schweiz kämpfen weiter um ihre rechtliche Absicherung. Für Frauenpaare gab es Fortschritte, aber für Männerpaare bleibt die Bürokratie ein Hindernis-Parcours. Wo stehen wir, was läuft schief – und wie bringen wir die Politik in Bewegung?
Die Ehe für alle war ein Triumph – vor allem auch für Frauenpaare, die endlich Zugang zur Samenspende haben und ab Geburt als rechtliche Mütter anerkannt werden. Für Männerpaare sieht die Sache leider weniger rosig aus: Ihr Weg zum Kinderwunsch gleicht einem Hindernis-Parcours mit Stolperfallen an jeder Ecke.
Leihmutterschaft: Behördenchaos statt Kinderlachen
Für Männerpaare ist Leihmutterschaft oft die einzige Möglichkeit, ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Da diese in der Schweiz verboten ist, bleibt nur der Gang ins Ausland – beispielsweise in die USA, Kanada oder Lateinamerika. Doch mit der Rückkehr in die Schweiz beginnt das Behördenchaos: Jede Behörde möchte eine endlose Liste von Dokumenten prüfen. Und das Ergebnis? Nur der genetische Vater wird als rechtlicher Elternteil anerkannt. Für den Partner bleibt nur die Stiefkindadoption – ein Verfahren, das sich über Jahre hinziehen kann.
Wir haben bereits vor drei Jahren eine Motion eingereicht, um sicherzustellen, dass Kinder aus Regenbogenfamilien von Anfang an abgesichert sind. Aber die Mehrheit von SVP, FDP und Mitte haben sich im Nationalrat leider dagegengestellt und die Motion bachab geschickt.
Stiefkindadoption: Zeit für ein Update
Da Plan A scheiterte, machen wir mit Plan B weiter: Die Stiefkindadoption muss einfacher und schneller werden! Heute dauert es oft Jahre, bis der zweite Elternteil endlich rechtlich anerkannt wird. Diese Wartezeit ist nicht nur eine Belastung für die Eltern, sondern vor allem ein Risiko für das Kind, da es in dieser Zeit schlecht abgesichert ist. Mit einer weiteren Motion haben wir eine Vereinfachung gefordert – und diesmal gibt es Hoffnung: Die Vernehmlassung lief gut, und das Parlament könnte noch dieses Jahr über die Vereinfachung der Stiefkindadoption bei gemeinsamen Wunschkindern entscheiden.
Co-Parenting: Familie neu denken
Moderne Familienkonstellationen sind vielfältig. Ob Co-Parenting zwischen Männer- und Frauenpaaren oder polyamore Gemeinschaften – das Leben schreibt Geschichten, die unser Rechtssystem bisher ignoriert. In der Schweiz dürfen Kinder maximal zwei Elternteile haben, und das war’s. Wir finden: Das Gesetz muss sich an den Lebensrealitäten der Menschen orientieren. Warum sollte ein Kind, das von drei oder vier Menschen umsorgt wird, nicht rechtlich abgesichert sein? Leider hat die Ständeratskommission kürzlich bei der Diskussion für einen «Pacte Civil» (PACS) in der Schweiz den Mut vermissen lassen, hier visionär zu handeln und den so auszugestalten, dass sich mehr als zwei Personen absichern könnten. Aber wir bleiben dran und bringen das Thema erneut auf den Tisch.
Und jetzt?
Unsere Vision ist klar: Eine Schweiz, in der alle Familienformen gleichberechtigt sind. Eine Schweiz, in der Kinder ab Geburt rechtlich abgesichert sind – unabhängig davon, wie bunt und vielfältig ihre Familie ist. Aufgeben ist keine Option! Wir mobilisieren, sensibilisieren und kämpfen weiter – mit Parlamentarier*innen, der Community und viel Geduld. Regenbogenfamilien sind keine Ausnahme, sie sind Teil unserer Gesellschaft. Und sie verdienen nichts weniger als völlige Gleichstellung.
Ja, die Schritte sind klein. Und ja, die Debatten manchmal frustrierend. Aber jeder Fortschritt zählt. Wir stehen für eine Schweiz, in der eine Familie nicht in Schubladen passen muss – sondern in Herzen.
Text: Roman Heggli